Etwas nicht Alltägliches!

Wärmebehandlung (Härten) von Stahl

Hey Leute,

wie ich euch schon in den letzten Artikeln berichtet habe, arbeiten bzw. erlernen die Werkstoffprüfer den Beruf im betrieblichen Tagesgeschäft und nicht in einer Lernwerkstatt – sind also von Anfang an in die Arbeitsabläufe eingebunden. Dementsprechend führen wir auch hauptsächlich Prüfungen durch, die unserem Material entsprechen. Beim Rasselstein führen wir unter anderem folgende Prüfungen durch: den Zugversuch, die Härtemessung, die Metallographie sowie die Prüfung der Geometrie und Oberfläche des Endprodukts. Darüber hinaus gibt es in der Werkstoffprüfung noch viele weitere Prüfverfahren, abhängig von Verwendung und Werkstoff. In der Zwischen- bzw. Abschlussprüfung wird ein großes Spektrum an Prüfverfahren und Werkstoffen abgefragt. Um darauf vorbereitet zu sein und möglichst viele Facetten des Berufsbildes Werkstoffprüfer kennenzulernen, schauen wir regelmäßig über den Horizont der Produktion hinaus. Dazu lassen sich unsere Ausbilder sehr interessante und anspruchsvolle Praktikumsaufgaben einfallen, die wir meistens im Team bearbeiten und auswerten.

Heute möchte ich euch von Teilen einer solchen Praktikumsaufgabe erzählen.

Im ersten Aufgabenteil sollten wir (die Azubis) ein Stahlklötzchen „identifizieren“, es also in der Metallographie (Lehre vom Gefügeaufbau ≙ Bestandteile von Metallen) so präparieren und untersuchen, dass wir eine Aussage über die Stahlsorte (Kohlenstoffgehalt) treffen konnten. Dazu musste das Klötzchen wie folgt präpariert werden:

    • eine plane kratzfreie Oberfläche schaffen – durch schleifen, polieren, feinpolieren und säubern
    • die Oberfläche mit einer Säure (Salpetersäure) ätzen um auf das Gefüge (die einzelnen Bestandteile) sehen zu können

Danach konnten wir das Klötzchen unter dem Mikroskop betrachten, denn das Gefüge ist mit bloßem Auge nicht sichtbar, die unten stehenden Fotos wurden mit einer Vergrößerung von 200:1 bzw. 500:1 aufgenommen. Mit den Bildern, Literatur und dem nötigem Fachwissen konnten wir das Klötzchen einem Werkstoff zuordnen – in diesem Fall C60 → unlegierter Stahl mit 0,60 % Kohlenstoff.

C60 → 0,60 % Kohlenstoff unbehandelt
dunkle Bereiche ≙ Perlit (Ferrit+Zementit)
helle Bereiche ≙ Ferrit (Eisen)

Damit wir uns ein noch besseres „Bild“ von dem Stahl machen konnten, haben wir an dem Klötzchen die Härte ermittelt. (Härte ist der mechanische Widerstand, den ein Werkstoff dem eindringenden härteren Prüfkörper entgegensetzt.) Bei der Härtemessung dringt ein Prüfkörper entweder in Form einer Kugel oder Pyramide in den Werkstoff ein. Anschließend lässt sich mittels des zurückbleibenden Abdruckes die Härte ermitteln.

In unserem Fall hatte der C60 eine Härte von HV 270 (HV ≙ Härte nach Vickers) → je höher der Wert desto härter der Werkstoff.

Im zweiten Aufgabenteil sollten wir dann die Stoffeigenschaften ändern, dies gelang uns durch eine Wärmebehandlung – in diesem Fall „Härten“. In einem 880 °C heißen Ofen durfte das Klötzchen eine halbe Stunde lang „Wärme tanken“ :), nach dieser heißen Phase musste es schnell gehen. Das noch rotglühende Klötzchen musste so schnell wie möglich in einem Wasserbad abgeschreckt werden um unser Ziel – die Stoffeigenschaften zu ändern – erreichen zu können. (Härten ≙ Werkstoff bei Härtetemperatur durchglühen lassen und im Anschluss schnell abkühlen.)

Ganz wichtig dabei: die persönliche Schutzausrüstung (Schürze, Handschuhe, Stulpen und ein Visier)!

Nachdem das Klötzchen wieder Raumtemperatur (20 °C) angenommen hatte, wiederholte sich der erste Arbeitsschritt (Metallographie und Härte ermitteln), denn wir wollten feststellen ob wir unser Ziel die Stoffeigenschaften zu ändern erreicht haben.

Am Ende konnten wir sagen JA, die Stoffeigenschaften wurden der Aufgabenstellung nach geändert.

C60 → 0,60 % Kohlenstoff gehärtet
nadeliges Gefüge (Martensit) → sehr hart

In der Metallographie konnten wir an den Aufnahmen erkennen, dass wir das Klötzchen durchgehärtet haben und bei der anschließenden Härtemessung haben wir einen Wert von HV 700 ermittelt.

Die Härte ist also über das 2,5-fache angestiegen!

Fazit → Ziel zu 100 % erreicht

Am Ende des Tages waren wir alle sehr geschafft, aber dennoch froh mal etwas anderes kennengelernt zu haben.

Ich hoffe es war für euch interessant und vielleicht habe ich bei einigen das Interesse für diesen vielseitigen Beruf geweckt.

In diesem Sinne – Gruß

Euer Julian

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Die Stahlproduktion ist für mich etwas ganz spannendes. Ich arbeite selbst gerne mit unterschiedlichen Metallen und lasse mir für meine Hobbyarbeiten immer mal Stahlbleche zuschneiden. Ich finde es sehr interessant, dass durch Hitze eine solche Veränderung des Stahls erzielt werden kann. Besonders spannend finde ich, dass dieser Unterschied auch so deutlich zu sehen ist.

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