Die Welt zu Gast bei uns daheim

Was treibt einen zu solch einer Aufgabe? Nunja, viele, denen ich davon erzähle, haben gleich einen Gedanken: „Macht sich ja ganz gut im Lebenslauf, so ein soziales Ehrenamt“. Vielleicht ein guter Beigeschmack, jedoch waren es für mich zahlreiche andere Beweggründe, ein solches Engagement aufzubringen. Nachdem ich im Seminar „Managing of intercultural diversity“  Studenten verschiedenster Kulturen (Jordanien, Kolumbien, Afghanistan, Amerika, Indien, etc.) kennengelernt habe, wuchs in mir das Interesse, mehr über andere Sitten und Bräuche zu erfahren. Da ich jedoch nicht rund ums Jahr die schöne, weite Welt bereisen kann, musste eine andere Alternative her. So kam die Frage der Seminarleiterin, ob ich mich nicht als Mentor, also als Betreuer für Austauschstudenten, engagieren möge, genau passend. Als dann feststand, dass ich einen chinesischen Studenten betreuen sollte, kamen in mir gleich 1000 Fragen auf. Spricht er deutsch? Wenn ja, wie gut? Werden wir uns gut verstehen? Welche Probleme könnte es geben? Fragen über Fragen und keiner der mir eine Antwort geben konnte. Dementsprechend war auch meine Anspannung, als ich Zhaopeng bei einem Treffen des International Office das erste Mal kennenlernte. Mein erster Eindruck: offen und überaus freundlich, um es mal in chinesischer Kürze auszudrücken. Wir verständigen uns übrigens auf Deutsch, was die Chinesen in Qingdao vor ihrem Auslandsaufenthalt mindestens ein Jahr gelernt haben. Neben einer Menge Spaß gab es natürlich auch eine Menge zu unternehmen und so war unser Zeitplan voll mit Dingen, die nicht selten für uns beide Neuland waren:

– Einzug in die Wohnung, Mietvertrag, Miete überweisen

– Möbel kaufen

– Sprachschule, Prüfungen

– Pass beantragen

– Bankkonto eröffnen

– Studierendenausweis beantragen

– Handykarte besorgen

– Stadtführung

– Hochschulführung

– Anerkennung von Fächern, die bereits in China belegt wurden

– Stundenplan erstellen

– etc.

Über all die Aufgaben lernten wir einander auch besser kennen und so war ich nicht selten erstaunt, wenn er mir Neues aus seiner chinesischen Heimat erzählte.  Ich lernte viele für mich unglaubliche Tatsachen, so zum Beispiel, dass sie in China teilweise zu 6. in einem Zimmer auf dem Campus leben und dort über 35.000 Studenten an der Uni studieren (im Vergleich dazu: HS Koblenz ~8000). Auch verrückt: Führerschein? Für mich unverzichtbar. In China jedoch meist die Seltenheit, denn dort ist man auf kurzen Distanzen meist zu Fuß schneller und nimmt bei längeren Strecken lieber ein Taxi. Was für mich jedoch am interessantesten war, war seine Antwort auf die Frage „Warum gerade Deutschland?“. Naja, ich hätte mir ja so einiges vorstellen können, das gute Bier, die schöne Landschaft oder doch die hübschen Frauen ;-). Stattdessen kam wie aus der Pistole geschossen: „Die deutschen Ingenieure sind die besten auf der Welt“. Schmeichelnde Antwort, jedoch erwartet hätte ich sie nicht. Dennoch, ein guter Anreiz sich später mal als einer der besten Ingenieure der Welt sehen zu wollen. 😛 Nebenbei, das gute, deutsche Bier schmeckt den chinesischen Freunden übrigens auch sehr gut.

So ging das Wintersemester 13/14 sehr schnell vorbei und ich stand vor der Frage, ob ich weiterhin einen solchen Aufwand betreiben möchte. Jedoch war aufgrund der zahlreichen Erfahrungen und dem hoffentlich langanhaltenden Kontakt schnell klar, dass ich weiterhin neuen Studenten helfen möchte, sich bei uns zuhause einzuleben. So habe ich auch im aktuellen Semester Zhaopeng und zwei neue Austauschstudenten betreut und wurde ständig mit neuen Fragestellungen konfrontiert.

Hoffentlich werden sich auch die neuen Studenten so gut in Deutschland einleben, wie mein erster Mentee Zhaopeng. Auf die Einladung, ihn in seiner Heimat Qingdao besuchen zu kommen, werde ich natürlich zeitig zurückkommen 🙂

Fazit: Je mehr ich von anderen Kulturen kennenlerne, desto mehr möchte ich noch erkunden und erleben.

zài jiàn(Tschüss) und bis bald

euer Andre

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